Urostomie – Alles, was Sie darüber wissen sollten

Urostomie – Alles, was Sie darüber wissen sollten

Allein in Deutschland leben über 150.000 Stomaträger:innen, darunter viele mit einem Urostoma. Nach dem Dickdarm- und Dünndarmstoma ist das Blasenstoma die dritthäufigste Stoma-Art. Daher ist es wichtig zu verstehen, was genau ein Urostoma ist und welche chirurgischen Eingriffe damit verbunden sind.

Was ist eine Urostomie?

Ein Urostoma bezeichnet eine künstliche Harnableitung durch die Bauchdecke. Diese kann bzw. muss gelegt werden, wenn eine Schädigung oder Erkrankung der Blase oder ableitenden Harnwege vorliegt und eine kontrollierte Harnausscheidung nicht möglich ist. Es wird infolgedessen ständig Urin ausgeschieden, da in der Regel die Harnblase als Reservoir fehlt oder nicht mehr funktionsfähig ist. Die Urostomie an sich bezeichnet dabei den eigentlichen chirurgischen Eingriff, um eine künstliche Harnableitung zu schaffen.

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Formen des Urostomas: Kontinentes und inkontinentes Urostoma. Sie leiten je nach Art den Urin konstant nach außen (inkontinentes Urostoma) oder sammeln ihn in einem operativ hergestellten Reservoir, um von dort kontrolliert entleert zu werden (kontinentes Urostoma).

Grundlagen: Der menschliche Harntrakt

Der normale Harntrakt umfasst zwei Nieren, zwei Harnleiter, eine Blase und eine Harnröhre. Der Urin wird in den Nieren gebildet und gelangt durch beide Harnleiter zur Blase. Der Urin wird dann in der Blase gespeichert, bis sie etwa zur Hälfte gefüllt ist. Anschließend wird der Urin durch die Harnröhre aus dem Körper ausgeschieden.

Eine Urostomie ist also praktisch die Schaffung einer neuen Route des Urins durch das Stoma, raus aus dem Körper in einen Urostomiebeutel. Dieser chirurgische Weg ermöglicht es dem Urin, ohne jegliche Interferenz zu fließen, sodass die Nieren mit optimaler Effizienz funktionieren können.

Warum wird ein Urostoma benötig?

Es gibt viele Gründe, warum eine Person ein Urostoma benötigen könnte. Diese sind auf eine erkrankte Blase oder einen Defekt mit dem Harnsystem zurückzuführen, das umgangen werden muss. Oft werden auch soziale Gründe für die Entscheidung einer Urostomie genannt. Da Betroffene mit einer defekten Blase oftmals ihren Harnfluss gar nicht kontrollieren können, wird somit das Leben – privat als auch beruflich- vollkommen eingeschränkt. Folgend ein paar typische Gründe, welche eine Urostomie erfordern könnten:
  • Erkrankte Blase, beispielsweise durch Krebs
  • Geburtsfehler bei Babys wie Spina Bifida, die den Harntrakt betreffen
  • Bei Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Zerebralparese und Rückenmarksverletzungen kann eine Nervenschädigung auftreten, die zu einer Blasendysfunktion führt
  • Gynäkologische Probleme, Harnfistel oder andere Zustände, bei denen die Blase oder Schließmuskeln nicht richtig funktionieren
  • Chronische Entzündung: schmerzhaftes Blasensyndrom oder interstitielle Zystitis
  • Trauma oder Verletzung der Blase

    Wie verläuft eine Urostomie-Operation?

    Da es verschiedene Arten von Operationen gibt, werden sämtliche Möglichkeiten mit Ihrem Chirurgen vor der Operation ausführlich mit Ihnen besprochen. Welche Art der Harnableitung für Sie die geeignetste ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Diagnose, Alter, Krankengeschichte, frühere Operationen, wie gut Sie sich bewegen können und ob Sie eine gute Geschicklichkeit in Ihren Händen haben, werden bei dieser Entscheidung einbezogen.

    Inkontinente Harnableitung

    Als inkontinente Harnableitung bezeichnet man einen künstlichen Blasenausgang, bei dem der Urin kontinuierlich über ein Stoma aus der Blase in einen Stomabeutel ausgeleitet wird. Es ist demnach nicht möglich, den Harn kontrolliert abzulassen.

    Ileum-Conduit

    Die am häufigsten durchgeführte Operation zur Harnableitung bei vollständiger Entfernung der Blase ist das Ileum-Conduit.

    Dabei nimmt der Chirurg ein ungefähr 12-14 cm langes Stück des Dünndarms (Ileum), um das Ileum-Conduit, also eine Art Leitung oder Rohr, zu bilden. Der verbleibende Darm wird anschließend wieder verbunden und kann somit ganz normal arbeiten. Die Harnleiter werden dann von der Blase getrennt und in das Conduit eingenäht, welches an die Bauchwand angebracht wird, um ein Stoma zu erschaffen. So gelangt der Urin direkt aus den Nieren über die Harnleiter nach außen. Da hierbei keine Muskeln zur Kontrolle der Urinausscheidung vorhanden sind, wird ein Urostomiebeutel benötigt. Dieser Beutel bedeckt Ihr neues Stoma und haftet an Ihrem Bauch.

    Gut zu wissen: Während der Operation werden feine Röhrchen, sogenannte "Stents", in die Nieren über die Harnleiter eingesetzt. Diese unterstützen die freie Entleerung des Urins, bis die Heilung abgeschlossen ist. Diese Stents fallen entweder von allein heraus oder werden etwa 10 Tage nach der Operation entfernt. Ihrer Stomapflegekraft wird dies überwachen, sobald Sie wieder zu Hause sind.

    Harnleiter-Hautfistel

    Bei einer Harnleiter-Hautfistel wird der Harnleiter durch die Bauchdecke nach außen geleitet. Dies kann – je nach Krankheitsbild – für eine Niere (Transureterocutaneostomie oder TUC) als auch für beide Nieren (Transureteroureterocutaneostomie bzw. TUUC) unabhängig funktionieren. Die Harnleiter können somit also einseitig oder beidseitig ausgeleitet werden.

    Kontinente Harnableitung

    Kontinente Harnableitungen wie das Schaffen einer Neoblase oder eines Mitrofanoff-Reservoirs gelten als Harnrekonstruktion und sind eine Alternative zur Ileum-Conduit-Operation. Um diese beiden Operationen durchführen zu können, muss das Risiko eines erneuten Krebsauftretens gering sein. Unmittelbar nach der Operation lernen Sie, wie Sie sich selbst katheterisieren, da dies langfristig erforderlich ist, um den Urin abzuleiten. Handgeschicklichkeit ist hier durchaus von Vorteil.

    Bitte beachten Sie, dass in den ersten 6 Monaten ein gewisses Maß an Harninkontinenz (Tröpfeln) vollkommen normal ist und das Tragen einer Einlage dahingehend sinnvoll ist.

    Neoblase

    Eine Neoblase ist eine chirurgisch geformte, künstliche Harnblase. Sie dient nach einer Zystektomie (Harnblasenentfernung) als Ersatz und zählt zu den kontinenten Harnableitungen.

    Bei einem Neoblasen-Verfahren verwendet Ihr Chirurg ein größeres Stück Ihres Darms, um so etwas wie eine Ersatzblase zu schaffen. Diese wird an die Harnröhre angeschlossen. So können Sie zwar ganz normal Urin abgeben, allerdings haben nicht mehr die normalen Muskelreflexe, welche die Leerung der Blase kontrollieren. Es kann demnach gut möglich sein, dass Sie sich selbst katheterisieren müssen, um die Blase vollständig zu entleeren.

    Mitrofanoff-Reservoir

    Das Mitrofanoff-Stoma ist ebenso ein kontinentes Stoma. Um einen Zugang zur Blase zu bekommen, wird der Blinddarm als Kanal zwischen Bauchwand und Blase eingenäht. Für die Urinausscheidung wird der Urin mit einem Katheter regelmäßig über das Stoma aus der Blase abgelassen.

    Nach der Urostomie-Operation

    Es ist vollkommen normal, sich in den Wochen nach der Operation sehr müde zu fühlen. Seien Sie sanft zu sich selbst und Ihrem Körper. Denken Sie immer daran, dass solch eine große Operation wahnsinnig anstrengend ist und Ihr Körper Zeit genügend benötigt, um zu heilen und sich anzupassen. Überstürzen Sie nichts in den ersten 6 bis 8 Wochen und nehmen Sie sich die Zeit, Kraft zu tanken. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, mobil zu bleiben. Jede folgende Woche werden Sie feststellen, dass Sie etwas mehr schaffen. Versuchen Sie allerding, sich nicht zu bücken oder schwere Gegenstände zu heben. Dies könnte die Regeneration beeinträchtigen.

    Es dauert etwa 8 bis 12 Wochen, um sich vollständig von der Stoma-Operation zu erholen. Ausführlichere Informationen über die Genesung nach einer Stomaoperation finden Sie hier.

    Pflege Ihres Stomas

    Das Stoma selbst hat eine rote Farbe und fühlt sich feucht an. Der Darm produziert in normaler Umgebung Schleim, um die Gleitfähigkeit zu unterstützen – das macht er, auch nach Stomaanlage, nach wie vor. Sie werden in den ersten paar Wochen daher weißen, geleeartigen Schleim an Ihrem Stoma bemerken. Die Menge ist dabei von Mensch zu Mensch unterschiedlich, sollte aber im Laufe der Zeit langsam nachlassen.

    Das Stoma hat keine sensorischen Nervenenden und ist daher völlig reizlos. Es verursacht demnach auch keine Schmerzen bei Berührung, kann aber anfangs an den Rändern etwas empfindlich sein. Das Stoma ist sehr stark durchblutet und kann bei der Reinigung leicht bluten. Ein paar Blutflecken beim Reinigen des Stomas sind allerdings kein Grund zur Sorge. Gehen Sie trotz dessen vorsichtig mit Ihrem Stoma um.

    Tipps & Tricks:

  • Waschen Sie Ihr Stoma und die umgebende Haut mit warmem Wasser, bevor Sie einen neuen Stomabeutel anlegen.
  • Versuchen Sie, Seifen oder parfümierte Hygieneartikel zu vermeiden.
  • Nehmen Sie sich die Zeit, Ihr Stoma und die umgebende Haut auf Reizungen zu überprüfen.
  • Tupfen Sie die Haut und das Stoma sanft trocken, bevor Sie eine neue Versorgung anlegen.

    Ihr Stoma wird sich in den ersten 6 bis 8 Wochen nach der Operation langsam in Form und Größe verkleinern. Es kann daher gut möglich sein, dass Sie Ihre Versorgung an die neue Größe Ihres Stomas anpassen müssen. Ihre Stomapflegekraft wird Sie bei der Größenbestimmung Ihres Stomas unterstützen und die optimale Versorgung für Sie finden.

    Mehr zum Thema Stomapflege:

  • How to ... Hautreizungen behandeln
  • How to ... Duschen mit Stoma
  • Mein Stoma, meine Haut und ich

    Entleeren und Wechseln des Beutels

    Entleeren Sie den Beutel regelmäßig, am besten, sobald er ein Drittel bis zur Hälfte gefüllt ist. Ein Urostomiebeutel fasst die gleiche Menge Urin wie Ihre Blase. Sie müssen ihn also nur so oft entleeren, wie Sie vor Ihrer Operation uriniert haben!

    Wechseln Sie den Beutel jeden Tag oder jeden zweiten Tag. Dies hängt davon ab, wie gut der Beutel an Ihrer Haut haftet, ob Sie undichte Stellen haben und wie aktiv Sie sind. Ein Hautschutzring kann Ihnen zusätzliche Sicherheit verschaffen und verlängert dazu die Tragezeit Ihres Beutels.

    Darüber hinaus gibt es Drainage-Bettbeutel, welche den Urin kontinuierlich aus dem Urostomiebeutel ableiten und Ihnen das Entleeren des Beutels über Nacht ersparen. Solche Beutel sind jedoch eine persönliche Vorliebe und keinesfalls zwingend notwendig.

    Mehr zu diesem Thema erfahren Sie hier.

    Sexualität

    Je nach Umfang der Operation ist es nicht ungewöhnlich, dass es zu körperlichen Veränderungen der sexuellen Funktionsfähigkeit kommt. Ihr behandelnder Chirurg wird Sie vor der Operation auf dieses Risiko hinweisen und aufklären. Nervenschäden können sowohl Männer als auch Frauen betreffen.

    Grundsätzlich sollten Sie geduldig miteinander sein. Intimität mit einem Stoma ist immer noch ganz normal möglich. Unsicherheiten bezüglich Ihres Körpergefühls sind jedoch genauso normal. Gehen Sie also sensibel an das Thema heran, sprechen Sie über Ihre Gefühle und setzen Sie sich bitte nicht unter Druck. Sollten Sie Schwierigkeiten diesbezüglich haben, sprechen Sie mit Ihrer vertrauten Stomapflegekraft. Diese wird Ihnen mit Rat und Tat beiseite stehen.

    Urostomie-Versorgung

    Es gibt viele verschiedene Arten von Urostomiebeuteln. Ihre Stomapflegekraft wird Ihnen helfen, eine zu wählen, welche sich für Sie angenehm anfühlt und ästhetisch ansprechend ist. Alle Beutel sind in der Regel wasserdicht, geruchssicher und haben einen gut verträglichen Hautschutz, welcher als Barriere für Ihre Haut dient. Urostomiebeutel haben eine Rücklaufsperre, das Zurücklaufen des Urins über das Stoma verhindert. Zudem besitzen die Beutel alle einen einfach zu bedienenden Verschluss, um den Urin unkompliziert in die Toilette ablassen zu können.

    Entdecken Sie unser umfangreiches Portfolio an Urostomie-Produkten hier.


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