Stigma rund um Stomata – Was können wir tun, um das Tabu zu überwinden?

Stigma rund um Stomata – Was können wir tun, um das Tabu zu überwinden?

Eine landesweite Übersicht zeigt, dass in Deutschland jedes Jahr über 10.000 Menschen eine Stomaoperation unterlaufen. Die häufigsten Erkrankungen, die zu solchen Operationen führen, sind Darmkrebs, Blasenkrebs, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und Unfallverletzungen. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 160.000 Stomaträger/innen, von Neugeborenen bis hin zu älteren Menschen. Doch warum wird trotz dieser Zahlen nicht besonders offen über Stomata und Darmoperationen gesprochen?

Endlich darüber reden

Es ist nicht verwunderlich, dass wir nur ungern über unseren Darm sprechen – es ist definitiv kein glamouröses Thema. Aber wenn wir einfach offener über Veränderungen von Farbe, Geruch und Beschaffenheit unseres Stuhlgangs sprechen würden, könnte das unser Leben wirklich verändern und retten. Unübliche Veränderungen können nämlich meist ein erstes Anzeichen einer Krankheit sein. Stuhlgang ist und bleibt nun mal etwas vollkommen Normales, genauso wie Essen, Trinken, Schlafen oder Lachen.

Veränderte Darmgewohnheiten, Stuhlinkontinenz und entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind Erkrankungen & Symptome, mit denen viele von uns zu kämpfen haben. Darmkrebs ist dabei sogar die zweithäufigste Krebsart in Deutschland. Leider werden jedoch viel zu viele Menschen erst in einem späten Stadium diagnostiziert. Und warum? Weil sie sich scheuen, jemandem von ihren Symptomen zu erzählen.

Dieses vollkommen unbegründete Schamgefühl unserer Gesellschaft lässt ein riesiges Stigma besonders rund um die Themen Darmoperationen und Stomata entstehen. Dabei wissen viele Menschen gar nicht wirklich, was ein Stoma überhaupt ist.

Was ist ein Stoma?

Ein Stoma ist eine künstlich geschaffene Öffnung eines Hohlorgans im Bauch. Diese kann entweder mit dem Verdauungs- oder dem Harnsystem verbunden werden, um Ausscheidungen (Urin oder Fäkalien) aus dem Körper in einen Stomabeutel zu leiten, der an der Außenseite des Magens befestigt ist.

Oft hält sich die Meinung, dass viele Menschen noch nie jemanden mit einem Stoma getroffen haben. Tatsächlich hat allerdings 1 von 500 Menschen eine Stomaversorgung unter ihrer alltäglichen Kleidung. Das ist eine ganze Menge. Ziemlich vereinfacht betrachtet, bedeutet das also, wenn sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren oder einkaufen gehen, begegnen Ihnen ganz unbewusst ein oder zwei Menschen mit einem Stoma.

Lernen Sie auch mehr über die verschiedenen Arten von Stomata: Kolostomie, Ileostomie und Urostomie.

Gefühle verstehen

Alle Darmerkrankungen sind mit einer Achterbahn der Gefühle verbunden. Die Unvorhersehbarkeit, wenn man schnell auf die Toilette muss oder sich vor Krämpfen oder Schmerzen krümmt, kann zu Depressionen, Angst, Isolation und Einsamkeit führen. Die psychologischen Auswirkungen sind enorm! Auch nach einer zumeist entlastenden Stoma-Operation fühlen Sie sich möglicherweise ängstlich, verletzlich und sozial isoliert, weil Sie sich nun mit Ihrem Körperbild auseinandersetzen müssen. Das Körperbild ist dabei der Aspekt des Selbstkonzepts, der sich auf unsere Vorstellungen von unserer körperlichen Erscheinung konzentriert und darauf, wie wir uns mit anderen vergleichen. Nach der Operation ist Ihr Körper verändert, vor allem durch das neue Stoma. Es ist oftmals ein langer Prozess, sich dieser Veränderung bewusst zu machen, sich langsam an sie zu gewöhnen und dabei weiterhin wertschätzend mich sich und seinem Körper umzugehen.

Ganz kurz vorweg: Ein Stoma sollte Sie in keiner Weise einschränken. Sobald Sie sich vollständig erholt haben, sollten Sie tragen, was Sie wollen und so aktiv sein, wie Sie möchten. Sie sollten und werden weiterhin in der Lage sein, all die Dinge zu tun, die Sie vor Ihrer Operation gerne getan haben. Lediglich die Ernährung (zumindest bei Kolo- und Ileostomie) wird sich ein wenig umstellen müssen, da ihr Darm nun anders arbeitet und eventuell manche Lebensmittel nicht mehr ganz so gut verträgt wie vorher.

Behalten Sie die Menschen, denen Sie vertrauen, in Ihrer Nähe und genießen Sie deren Unterstützung. Die Allermeisten geben Ihnen gerne den Halt, den Sie vielleicht brauchen. Bitte scheuen sich nicht, offen über diese Themen zu sprechen. Gehen Sie mit einem Beispiel voraus und überwinden Sie das Stigma!

Das Tabu überwinden

In den letzten Jahren haben sich die Einstellung und Wahrnehmung der Menschen, welche mit einem Stoma leben, verändert. Einzelne haben sich sogar getraut, ihre Geschichte offen und ehrlich zu erzählen. Sie posten Fotos von Ihrem "neuen alten" Körper auf den sozialen Medien und bloggen über ihre persönlichen Erfahrungen mit Darmerkrankungen, Stomaoperationen und der Bewältigung des Lebens mit einem Stoma. Viele dieser mutigen Menschen zeigen sich in ihrem Bikini im Sommerurlaub oder in Unterwäsche, um zu zeigen, wie ihr Accessoire aussieht und wie sie ihr Leben wieder leben und lieben gelernt haben. All diese bemerkenswerten Menschen zeigen, wie absolut normal ein Leben mit Stoma sein kann und vor allem auch ist.

Die Durchbrechung des Stigmas beginnt mit Positivität! Unterstützung durch Ihren Darmchirurgen, Ihres Hausarztes und Ihrer Stomapflegekraft wird Sie positiv beeinflussen. Ebenso wie der Beitritt zu Selbsthilfegruppen, wo Sie Menschen treffen, die Ihre Gefühle, Einstellungen und Erfahrungen teilen und Sie verstehen. Unglaublich wichtig ist es auch, Ihre Familie und Freunde darüber aufzuklären und Ihnen zeigen dass Sie auch mit Stoma ein erfülltes Leben führen können. Denn nur so können und werden Sie sich angenommen fühlen.

Und denken Sie daran: Ein Stoma zu haben, sollte Sie nicht definieren!

Selbsthilfegruppen

Die Deutsche ILCO

Die ILCO wurde im Jahr 1972 gegründet und ist eine bundesweite gemeinnützige Selbsthilfeorganisation für Menschen mit künstlichem Darmausgang oder künstlicher Harnableitung (Stoma) sowie für Darmkrebsbetroffene und Angehörige.

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Selbsthilfe Stoma-Welt e.V.

Der gemeinnützige Verein Selbsthilfe Stoma-Welt e.V. ist im Jahr 2010 aus dem Internetportal Stoma-Welt.de und dem Stoma-Forum entstanden, einer bis dahin privaten Internet-Initiative von und für Stomaträger/innen. Aufgabe der Selbsthilfe Stoma-Welt e.V. ist die „Förderung der Lebensqualität von Menschen mit einem künstlichen Darmausgang oder einer künstlichen Harnableitung durch Information und Aufklärung, Erfahrungsaustausch und Hilfe zur Selbsthilfe“.

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BeuteltierNetzwerk e.V.

Der gemeinnützige Verein „BeuteltierNetzwerk e.V.“ wurde am 06.06.2015 im Ramen des 3. Beuteltiertreffens in Alt Allertshofen bei Darmstadt gegründet. Der Verein ist aus einer großen Gruppe von Stomaträgern/innen heraus entstanden, die sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam helfen, zusammen trauern und miteinander lachen.

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